Die Madonna und das Bairawieser Moos

4. September 2015 by Karl Georg Nicklbauer

Filigrane Rätsel: Die Werkschau des Tölzers Karl Georg Nicklbauer im Kunstsalon

Bad Tölz – Sechs Stunden lang hat Karl Georg Nicklbauer geschleppt, gedacht und gehängt. Dutzende seiner Bilder hat er die enge Treppe hochgetragen, die in Patrizia Zewes Kunstsalon führt – um sie dann stimmig anzuordnen und anzubringen an den rosa Wänden. „Ich bin dieses Jahr 60 geworden. Das war schon eine Plagerei“, sagt Nicklbauer, moderner Strickjanker, schwarze Mütze, grauer Bart.

Aber hier jammert keiner; der Mann fühlt sich pudelwohl, mitten zwischen seinen Bildern im Herzen von Bad Tölz. Angestachelt habe ihn „dieser schillernde Paradiesvogel“, wie er Patrizia Zewe respektvoll betitelt. Nicklbauer ist der erste gebürtige Tölzer, der im Kunstsalon an der Marktstraße 6 ausstellen darf. Genauer gesagt ist es eine umfassende Werkschau, die laut Flyer „filigrane Rätsel und fantastische Realitäten birgt. Der Künstler hat Aquarell- und Mischtechnikbilder mitgebracht – darunter seine neusten Schöpfungen, aber auch eine Bleistiftzeichnung aus dem Jahr 1978.

Die Ausstellung, die am Freitagabend Vernissage hatte, heißt „Von hier nach dort“. Eine Bewegung, ein zeitlicher Wandel schwingt mit in diesem Titel. Wenn Nicklbauer auf bairisch über sein Schaffen redet, kommt er an dem Foto aus den 1970er nicht vorbei. Vier junge Männer mit teils langen Matten blicken verträumt in die Kamera. „Wir haben Lieder geschnitzt mit vier Akustikgitarren“. So kommentiert Nicklbauer das Porträt einer Band, die irgendwann eine echte Leidenschaft für das Malen entwickelte. „Die anderen haben damit angefangen. Für mich war es ein Wildbach der dich einfach mitreißt.“
Als Anhänger der Wiener Schule des Fantastischen Realismus kreirt Nicklbauer seit Jahrzehnten verwinkelte Fantasiestädte mit Zwiebeltürmen – aber auch geheimnisvolle Natur-Konstellationen, die durch menschliche Gesichter lebendig werden. „Das kommt einfach raus aus mir. Ich habe noch nie etwas weggeworfen“, erklärt der Autodidakt. „Meine beiden Kameraden Malkasten und Bleistift haben mir mehr gezeigt, als es irgendein Professor könnte.“

Als Architekt hat Nicklbauer beruflich viel mit denkmalgeschützten Kirchen zun tun. In seiner Freizeit lässt er sich von der Natur inspirieren, um sie anschließend zu verfremden. Heraus kommt dabei schon mal „ein Ast aus dem Bairawieser Moor, in dem eine Art Madonna-Figur steht“. Ob Sunntratn, Isar oder Kirchsee: Die Anspielungen zeigen, wie sehr er im Isarwinkel verwurzelt ist. Genau wie sein Sohn Jakob, der als Designer für die Arzbacher Firma Liebling arbeitet. Seit Neustem gibt es neben Liebling-Strickjankern auch Liebling – Ski – mit Gesichtern und Zwiebeltürmen von Karl Georg Nicklbauer.

Münchner Merkur 07. September 2015
von Tobias Gmach


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