„Von hier nach dort“: Karl Georg Nicklbauer hält die Zeit an – die Phantasie kommt in Bewegung
Wolfratshausen: Dieser Realismus – phantastisch. Auch entwickeln die kleinformatigen Zeichnungen und Aquarelle mitunter ihre eigene Mystik, sind voller Witz und Anmut. So sorgfältig ausgearbeitet, als wären sie nicht in dieser Zeit der wuchtigen Pinselhiebe und Farb – Eruptionen entstanden. Bei Karl Georg Nicklbauers gezeichneten Preziosen bleibt die Zeit stehen. Und die Phantasie rennt davon.
Gesichter überall Gesichter. Sie schauen fest und ernst den Betrachter an.
Die Augen folgen den Bewegungen. Menschliche Antlitze blicken aus verschneiten Landschaften, aus dem Schilf oder einem Apfelbaum. In eine Rose ist ein Paar eingewickelt. Die Natur entwickelt so ein Eigenleben und wird neu erfunden. Da muss der Maler keine Wolken bemühen, in denen selbst nicht-künstlerisch Tätige gelegentlich Gesichter oder Gestalten zu erkennen glauben.
Wie Nicklbauer sagt, kommen ihm die Einfälle für Motive beim Wandern in schöner Landschaft. Aber der Architekt mit der sicheren Strich- und Kompositionstechnik hat auch Botschaften wie „300 Jahre nach Sendling“ oder „Die Geburt des roten Planeten“. Doch es überwiegt die heitere Erzählweise eines Malers ohne Erdschwere.
Das kleine Format hat der Maler und Zeichner geradezu kultiviert und das Motiv, den Rahmen und den Titel untrennbar vereint. Was die Rahmen betrifft sind Sie sorgfältig ausgewählt und geben den Bildern – auch wenn man Effekthascherei wittert – ein ganz besonderes Klima. Die Titel die sich laut Nicklbauer wie von selbst ergeben, sind ebenso surreal wie die Bilder: „Warum läuft man an einer Fichtenholzsiedlung immer vorbei?“
Nicklbauer titelt damit eine facettenreich ausgearbeitete Graphitzeichnung, bei der schlichte Häuser und prächtige Kathedralen wie Bäume in den Himmel wachsen, dabei aber wie ein Fichteholzschlag fest verwurzelt in der Erde sind.
Nicklbauer, der akribische und phantasievolle Zeichner, beschäftigt sich zuweilen mit überraschend kühnen Farben, die er punktuell einsetzt: So ein Drache, der den schlafenden Mond frisst, wirkt durch kräftiges Grün eben viel markanter. Zwischendurch drängt es Nicklbauer nach Mehrdimensionalität. Er nimmt drei alte Glasscheiben, die er mit kleinem Abstand in einem Rahmen befestigt. Doch er bietet kein großes Theater wie die mehrschichtigen Exponate der Hinterglasmaler, die im Schlossmuseum in Murnau zu sehen sind, sondern reduziert streng: Wasser, Wolken und Drache – Surrealismus auf die Spitze getrieben.
Barbara Szymanski, Süddeutsche Zeitung vom 25. Mai 2007