Zauberhafte Entdeckungen

24. Mai 2003 by yeah

Bilder von Karl Georg Nicklbauer im Hollerhaus

Irschenhausen: Ernst Fuchs lässt grüßen und die Wiener Schule des fantastischen Realismus. Karl Georg Nicklbauer ist bekennender Anhänger, malt in dieser Richtung aber filigraner, auch weniger sinnlich und prall als die großen Vorbilder.
Es empfiehlt sich daher, ganz nah an seine Exponate im Hollerhaus heranzutreten – es gibt so viel zu entdecken.

Ganz wunderbar ergänzen sich zu seiner Malerei die Steinskulpturen und Bronzen der Münchner Bildhauerin Isolden (siehe Beitrag unten). Während ihre Steinfiguren archaisch daherkommen, leben sie bei Nicklbauer auf, zeigen Seele und Befindlichkeiten.

Auch die Titel sind ausgesprochen fantasievoll. „Das Karwendel träumt“ nennt der Tölzer, der in seiner Freizeit oft monatelang an einem Blatt arbeitet, ein ganz schmales Bild. „Die Titel sind plötzlich da – das ist ein großes Erlebnis“, sagt er.
Das fantastische an diesem Bild ist, dass das Karwendel tatsächlich lebt: Viele, viele Menschengesichter bilden Felsen und Verwerfungen. Sie wachträumen offenbar, denn die Augen sind geschlossen. Das Traumbild mit roter Sonne und bleichem Mondgesicht wirkt fast wie ein Hinterglasbild. Denn es schwebt geradezu zwischen zwei Glasscheiben.

Während man bei den meisten Malern die Rahmen vernachlässigen kann, übernehmen sie bei Nicklbauer nicht selten eine unverzichtbare Bildergänzung. Er inszeniert seine Sujets geradezu. Und dennoch gerät er selten in die Nähe des rein Dekorativen. Obwohl es auch vorkommt, dass er einen Jugendstilrahmen auftreibt und dann erst ein dafür passendes Motiv entwickelt.

„Seemacht für Dich“ ist ihm dazu eingefallen. Wie Labyrinthe die Wellen, blau das Gesicht des Wassergeistes, bei dem sich grüne Gliedertierchen aus den Haaren schlängeln. Auch der Strand lebt durch freundliche Monster. Nicklbauer wählt dabei nicht das Elegische des Jugendstils, sondern die klarere Sprache des fantastischen Realismus.

Er scheut sich auch nicht, sonst eher verpönte Techniken zu mischen. So wie bei „Begierde nach der Jungen Isar“. Perfekt wie fotografiert der Farbverlauf des blitzblauen Himmels über dem Fluss. Verwirklicht hat Nicklbauer diesen Effekt mit Airbrush-Technik. Kiesstrand Wasser, Felsen und Berge sind mit dem Pinsel gemalt.

Als Architekt hat Nicklbauer natürlich einen sicheren Strich. Seine Schwarzweiß-Zeichnungen wie „Valinor“ sind so detailliert und präzise ausgeführt und mit geheimnisvollen Chiffren versehen, dass man immer wieder hinschauen muss. Neckisch kann der Maler auch sein. Der irgendetwas ausheckende witzige grüne Frosch auf einem kleinen Bild hat ein Feigenblatt vor dem Gemächte, aus Papier. Wer mag kann es gerne lüften.

Barbara Szymanski, Süddeutsche Zeitung vom 08. Mai 2003


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